Zu sich kommen
Eine 53-jährige Patientin sitzt auf der Terrasse. Sie genießt die frische Luft und die späten Sonnenstrahlen. Ich setzte mich zu ihr. Sie erzählt, dass sie heute von der Gynäkologie auf die Palliativstation überstellt worden ist – auf ihren eigenen Wunsch. Nach Hause will sie nicht mehr, weil sie ihren Mann und ihren 20-jährigen Sohn nicht belasten will. „Denn manchmal geht es mir sehr schlecht. Das müssen die beiden nicht mitansehen“, sagt sie ohne jede Bitterkeit. „Ich weiß, dass es für mich keine Hilfe mehr gibt. Darum will ich meine letzten Tage hier verbringen. Auf der Station fühle ich mich sicher. Und ich will hier endlich zu mir kommen.“ Ich bewundere Frau S., weil sie ihre Situation völlig akzeptiert zu haben scheint und bereit ist, loszulassen. Wir plaudern noch lange und wir teilen uns ein Twinni-Eis. „Ein ganzes schaffe ich nicht mehr. Und es wäre doch schade, wenn die grüne Hälfte hier einfach so am Teller zerrinnt“, sagt sie.
In den kommenden Tagen verschlechtert sich der Zustand von Frau S. Sie kann ihr Bett nicht mehr verlassen, sie schläft viel. Als ich das nächste Mal auf die Station komme, sagt mir ein Pfleger, dass sie gestern gestorben ist: „Ihr Mann, ihr Sohn und auch ihr Hund haben sie am Nachmittag noch besucht. Das hat sie so gefreut.“ Kurz nachdem ihre Liebsten gegangen sind, ist auch sie gegangen – ganz friedlich und ruhig.
September 2022
Lachen
Als ich das erste Mal Frau H. besuchte, war sie aufgewühlt und verzweifelt. Die ganze Nacht habe sie geweint, erzählt sie, weil sie nun wisse, dass ihr nicht mehr viel Zeit bleibe. Aber sie sei noch nicht bereit zu gehen, sie wolle – wie früher – mit ihrer Freundin B. etwas unternehmen und mit ihrem Bekannten W. auch künftig stundenlang Kartenspielen. „Das kann doch nicht vorbei sein?“, fragt sie, um sich gleich selbst die Antwort zu geben: „Das tut so weh.“ Sie wird still und denkt nach. Dann sagt sie: „Es fühlt sich so an, als wäre ein Wirbelsturm in mir, der nicht raus kann.“ „Was würde denn passieren, wenn er rauskommt“, frage ich sie. „Nichts Gutes“, sagt sie und ihr Blick ist voll Angst. Ich bleibe noch länger bei Frau H. und sie erzählt mir von ihrem Leben, das kein einfaches war.
Als ich sie eine Woche später wieder besuche, wirkt die 80-jährige viel ruhiger. Dank der richtigen Medikamente könne sie nun in der Nacht gut schlafen, sagt sie. „Wissen Sie, es rumort immer noch in mir, aber nicht mehr so oft und nicht mehr so wild. Alles ist jetzt ein bisschen leichter.“ Sie spreizt ihren Daumen und ihren Zeigefinger ein wenig, um zu zeigen, um wie viel leichter es für sie in den vergangenen Tagen geworden ist. Dabei lächelt sie fast ein wenig verschmitzt. Da muss ich lachen und sie stimmt ein. Als wir uns die Tränen weggewischt haben, nimmt sie meine Hand und drückt sie. Die Intensität dieses Moments kann ich nicht in Worte zu fassen.
August 2022
Herzlichen Dank
Ein Patientenwunsch
Dem Wunsch eines Patienten, der schon einige Monate auf unserer Station verweilte, zu entsprechen, fuhren wir (2 Ehrenamtliche) mit unserem Privatauto, Patient und Rollstuhl nach Hietzing. Hier erledigte er seine Bankgeschäfte, stand wieder, wie alle anderen Menschen am Schalter und verfügte selbst und ohne Hilfe über sein Konto.
Anschließend wollte er in einem nahen Geschäft einige Dinge besorgen. Mit etwas Unterstützung war es auch möglich, dass er sich diverse Angebote durchsah, gustierte und wählte und schließlich selbst bezahlte.
Einen ganz besonderen Abschluss bildete der Besuch im Cafe Dommayer, in welchem er sich ganz selig ein Achtel Wein bestellte und sich dieses nach und nach mittels Spritze über die Pegsonde (Magensonde) verabreichte.
Die Freude und das glückliche Strahlen im Gesicht dieses todkranken Menschen, sind für mich unvergesslich. Es war sein letzter Ausgang.
Erstaunliches Kind
Die junge Mutter eines 8-jährigen Buben ist verstorben. Der Vater kam mit dem Sohn, um sich von der Mama zu verabschieden. Wir versuchten, dem Kind beizustehen. Seine Antwort „Danke, sehr lieb von euch, aber da muss ich selber durch”. Erstaunlich, wie Kinder mit dem Tod umgehen können.
Wohlfühlen
Ein Patient der nicht mehr sprechen konnte hat diesen Zettel geschrieben und ihn uns überreicht:
Erfüllte Hoffnung
Frau H. eine Patientin aus dem ehem. Jugoslawien, war schon längere Zeit auf unserer Station und wurde zusehends schwächer. Sie erzählte dass ihre anfängliche Hoffnung bei der Hochzeit ihres Sohnes anwesend sein zu können immer unwahrscheinlicher wurde da es ihr nicht gut ging. Sie war sehr traurig.
Unser Verein organisierte und bezahlte einen Arzt + eine Krankenschwester + einen Krankentransport.
Frau H. war auf der Hochzeit ihres Sohnes !!!
Sie ist 3 Wochen danach verstorben.
Zu früh
Frau K. Jahrgang 1967 war nicht lange bei uns. Ihr größter Wunsch war noch einmal ihr Pferd zu sehen! Gerne wollten wir ihr ihren Wunsch erfüllen aber zu rasch war es aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich.
Da haben wir alles versucht das Pferd nach Lainz zu bringen.
Als wir alle Genehmigungen hatten (ca. 1 Woche) hätte sie es nicht mehr wahrgenommen, sie ist nach wenigen Tagen verstorben.